Seit Beginn der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 sind nun mehr als 1,5 Jahre vergangen. Die Auswirkungen haben die ganze Gesellschaft nicht nur im Privaten sondern häufig auch im Beruflichen stark geprägt. Unsere Teilprojekte hatten in der Beratungsarbeit mit verschiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen. Terminvereinbarung und Hygienekonzepte spielten dabei eine große Rolle um die Beratungsangebote weiter aufrecht zu erhalten. Auch die Beratung per Telefon und Messengerdiensten wurde eingeführt und ausgebaut. Durch sprachliche Barrieren konnten so jedoch nicht alle Geflüchteten erreicht werden. Die Möglichkeiten ein persönliches Vertrauensverhältnis zu den NIFA-Teilnehmenden aufzubauen sind durch die äußeren Beschränkungen so erschwert worden. Doch gerade bei der Beratung in sensiblen Fragen wie der Identitätsklärung, ist eine Vertrauensbeziehung entscheidend. Doch unsere Arbeit hat sich nicht nur äußerlich, sondern gerade auch inhaltlich verschoben, denn die Probleme und Bedarfe der Geflüchteten haben sich durch die Pandemie verändert und verstärkt.
Brennglas Pandemie: Chancenungleichheiten werden größer
Die Herausforderungen auf dem Weg zur nachhaltigen (arbeitsmarktlichen) Teilhabe sind durch die Pandemie nicht nur größer, sondern auch zahlreicher geworden. Besonders drastisch wirken sich ausgesetzte Sprachkurse und Qualifizierungsangebote auf die arbeitsmarktliche Integration von Geflüchteten aus. Somit wurde die „Vermittlungsreife“ als Grundlage einer erfolgreichen und nachhaltigen Ausbildungs- oder Beschäftigungsaufnahme durch die Pandemie massiv verzögert.
Aber auch finanzielle und soziale Benachteiligung sind in Pandemiezeiten deutlich sichtbarer geworden. Viele Geflüchtete können an alternativen Online-Angeboten nicht, oder nur erschwert teilnehmen, da diese vielfach (immer noch) nicht niedrigschwellig genug sind.. Häufig sind die Anforderungen an sprachliche oder digitale Kompetenzen der geflüchteten Menschen zu hoch oder es fehlt schlicht an digitalen Endgeräten oder WLAN-Zugang, insbesondere in Gemeinschaftsunterkünften. Diese Benachteiligung ist unter den NIFA-Teilnehmenden insbesondere bei Familien und Auszubildenden aufgefallen. Dem „Homeschooling“-Unterricht konnten viele junge Geflüchtete nicht folgen, Unterstützungs- und Nachhilfeangebote fehlten. Dies hat nicht nur die Ungleichheit in Bezug auf Bildungschancen vergrößert, sondern auch verstärkt zu Ausbildungsabbrüchen geführt.
Dramatisch sind die zunehmende Perspektivlosigkeit und psychische Belastung bei vielen Geflüchteten. Durch Kontaktbeschränkungen und ausgesetzte Freizeitangebote fehlte der Zugang zum gesellschaftlichen Leben. Viele Geflüchtete sind bereits durch traumatisierende Erlebnisse vor oder während der Flucht vorbelastet. Durch (Zwangs-)Quarantäne und Lockdown hat sich die psychosoziale Situation vieler Menschen verschlechtert und die Isolation zugenommen. Hinzu kommt, dass durch die verzögerte arbeitsmarktliche Integration die Aufenthaltssicherung vieler Geflüchteter gefährdet ist. Verstärkt wird dies durch die weiterhin angespannte wirtschaftliche Lage. Insbesondere Menschen im Status der Duldung (auch mit einer Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung!) stehen so unter enormem Druck. In Pandemiezeiten zeigte sich einmal mehr die große Bedeutung der nachhaltigen Integration in qualifizierte Beschäftigungsverhältnisse. Dennoch sind auch NIFA-Teilnehmende von pandemiebedingten Kündigungen und prekären Arbeitsverhältnissen betroffen.
Unterstützung mit kreativen Lösungen
Die Covid-19-Pandemie stellt so auch eine besondere Herausforderung für die NIFA-Mitarbeitenden dar. Gemeinsam wird immer wieder nach innovativen Lösungen und kreativen Beratungsansätzen gesucht, um die Geflüchteten auch in schwierigen Zeiten bestmöglich zu unterstützen und auf ihrem Weg in schulische Bildung, Ausbildung und Arbeit zu begleiten. Insbesondere bei digitalen Kompetenzen haben nicht nur NIFA-Teilnehmende, sondern auch NIFA-Mitarbeitende Weiterbildungsbedarf. Entwicklungspotenzial besteht ebenso beim Ausbau digitaler Beratungsangebote und -formate, um arbeitsmarktliche Beratung und Empowerment auch auf Distanz umsetzen zu können. Auch wenn hier schon einiges auf die Beine gestellt wurde!
Unsere Teilprojektpartner*innen entwickelten teils kreative Lösungen um das Beratungsangebot aufrecht zu erhalten. So wurden „Beratungsspaziergänge“ und „Outdoorberatungen“ in Parks angeboten, oder die Kommunikation über Briefkästen und offene Fenster geführt. Auch der Rückgriff auf strategische Netzwerke, z.B. Integrationsmanager*innen und Sozialarbeiter*innen in Unterkünften hat sich bewährt, um die Kommunikation zu den Teilnehmenden nicht abbrechen zu lassen und einen Informationsfluss zu gewährleisten. Gerade in den schwierigen Zeiten des Lockdowns und darüber hinaus ist dieser wichtig, um Perspektiven für die Geflüchteten zu schaffen.
Auch in wissenschaftlichen Studien wurden die besonderen Auswirkungen der Pandemie auf Geflüchtete festgestellt. Folgende Berichte sind zum kostenlosen Download verfügbar:
Mediendienst Integration: Sind Menschen mit Migrationshintergrund stärker von Covid-19 betroffen?